KI – eine Hybris der Jetztzeit

Dieser Tage habe ich mich sehr geärgert und das muss jetzt mal raus. Denn uns Designern wird derzeit häufig Angst gemacht, in Kürze nicht mehr up-to-date – und daher bald pleite – zu sein, wenn wir nicht die KI für uns bzw. unsere Kunden arbeiten lassen. Echt jetzt?!
Nun ja. Seit Mitte der 1980er Jahre im Beruf, habe ich die Zeiten mit durchlebt, wo das Handwerkliche (!) des Designerberufes mehr und mehr in Computerarbeit überging, und das fanden wir einfach toll. Keine ungesunden Sprühkleberwolken mehr, keine Rückenschmerzen mehr wegen stundenlanger Retuschen über den Leuchttisch gebeugt, keine umsonst montierten Reinzeichnungen wegen geringfügiger Änderungen im Text, keine ständige Sorge um diese blöden Pappen, bis sie endlich heil in der Litho waren – ich könnte so viel aufzählen, was sich durch das neue Werkzeug verbesserte… Wenn wir mal davon absehen, daß diese Entwicklung ein paar Berufe und Unternehmen das Leben kostete. Kollateralschäden, die sich in die Arbeitswelt hineinschlichen. Das war schlimm und wir bemerkten es erst, als es zu spät war.
Und jetzt? Jetzt kann also eine Technik das Denken (!) für uns übernehmen?! Uns überflüssig machen… Das suggeriert jedenfalls diese Anzeige auf Instagram, die mich so enorm geärgert hat in ihrer unverhohlenen Lust, heiteres Berufe-Morden zu spielen. Ich soll also das sogenannte Prompten lernen, mir die „Kunst“ der richtigen Befehle für die KI aneignen, statt mir direktwegig und zielführend über Konzepte für meine Kunden Gedanken zu machen. Ich soll lernen, mit den korrekten Worten einen Computer anzuleiten, statt einfach das zu machen, was ich sowieso qua Ausbildung und Erfahrung selber kann… Merkt eigentlich niemand, wie bescheuert das ist?
Ich möchte an dieser Stelle einen klugen Mann zitieren, der am 21. Mai als @gruener_skatbruder auf Mastodon postete: „Ich halte es übrigens für wahnsinnig wichtig, dass wir ChatGPT, Gemini und wie sie alle heißen, nicht KI nennen, sondern korrekterweise Large Language Models (LLMs). Das Marketing möchte natürlich, dass wir glauben, dass da Intelligenz drin ist. Der technisch korrekte Terminus sagt uns aber, was da wirklich dahintersteckt: Ein großer Haufen natürlicher Sprache, kombiniert mit ausgefeilter Statistik und absurd viel Rechenleistung. Fast nichts daran ist intelligent.“
Deshalb, Firma Designer-Überflüssigmacher, macht Eure Werbeaussage – auch die zugehörige Caption ist reichlich unverschämt – doch weniger bedrohlich für den Berufsstand und sagt einfach, wie es wirklich ist: Ihr bietet Zusatzwissen an für Designer, die sich auf KI spezialisieren wollen. Denn KI kann kein Ersatz für einen Beruf mit viel Denkanteil sein (hier ist u.a. die Natural Intelligence enorm wichtig), sondern KI ist ein Werkzeug und ermöglicht ihrem Nutzer eine Spezialisierung. Es gibt zum Beispiel im illustrativen Bereich einige Kollegen, die das bereits erfolgreich gemacht haben und Beeindruckendes zustande bringen – und auch ich werde die gerne hinzuziehen, falls ein Kunden-Projekt das erfordert.
Doch im Großen und Ganzen denke ich weiterhin vor allem selbst.